Eine stilvolle Satirikerin

Ich wollte eigentlich nicht mehr über das Tagesgeschehen schreiben, da das nicht nachhaltig ist und in ein paar Jahren niemanden mehr interessiert. Aber vor dem Hintergrund, dass es hier um grundsätzliche Themen wie Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit, Toleranz, Intellekt, Sprache geht möchte ich doch noch einmal kurz darauf eingehen.

Ich mag dieses Fräulein Eckhardt eigentlich nicht, aber sie ist richtig gut! Zunächst ist sie mir durch ihre unerträgliche, ösihafte – hier ins extreme übersteigerte – Arroganz negativ, aber auch positiv aufgefallen. Dann gefielen mir ihre Pointen eigentlich auch ganz gut. Und schließlich haben mich ihr Intellekt und ihre sprachlich ausgesprochen interessante und ausgefeilte Wortwahl mit wunderbarem Sinn für Anspielungen und geschichtlichem Bezug – und dann auch noch der Anflug von Selbstironie – vollkommen überzeugt. Nebenbei hat sie ein sehr einzigartiges und wirkungsvolles Gesamtbild von sich selbst geschaffen und kommuniziert. Eine Menschin als Gesamtkunstwerk!

Nun zum Inhalt. Hier ein paar ihrer herausragenden Zitate aus einem Gespräch mit dem Tagesspiegel: (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/-lisa-eckhart-im-interview-vom-fundamentalismus-der-gutunmenschen-und-rassistischen-omas/26092812.html)

„Den Begriff „Gutmensch“ als Schimpfwort schätze ich nicht. Das sind Philanthropen wie ich auch, gegen die habe ich überhaupt nichts. Anders die Gutunmenschen mit ihrem wahnwitzigen, in den Fundamentalismus abgleitenden Glauben, ein besserer Mensch zu sein. Der zeugt von einer Überheblichkeit, zu der selbst ich es noch nicht gebracht habe.“

„Wie soll ich noch Grenzen überschreiten, wenn sie von Politikern längst überschritten sind?“ [hier würde ich eher sagen: wurden – Anm. d. Verf.]

„Ich begebe mich nicht in diese digitale Öffentlichkeit, die formal eher der Privatsphäre gleicht. Das ist extrem ungustiös.“ [UNGUSTIÖS. Sicher eines der seltensten und schönsten Wörter im öffentlichen Diskurs der letzten Jahre!]

„Ich kenne ältere Menschen, die sich politisch korrekt ausdrücken, was aber nichts an den im Inneren schwelenden Vorurteilen verbessert. Trotzdem bin ich gegen eine Pauschalisierung dieser Generation als Rassisten und Sexisten.“

„Ich kann nicht jedem Nachhilfeunterricht geben.“

„Ich bin kein Freund der Handlung. Ich bin im Nachhinein fast erstaunt, wie viel davon drinnen ist. In Romanen ist mir viel zu viel Handlung und Leben. Dafür muss ich kein Buch lesen, da gehe ich lieber vor die Tür. Ich erwarte mir von einem Buch Sprache, keine Geschichte, und lasse mir lieber was erklären als was erzählen.“

Ja klar, da ist viel ich, ich, ich dabei, eine begnadete Selbstdarstellerin, aber um die geht es gerade. Und die Aussagen und die Wortwahl gefallen mir gut.

Leider wird Madamechen (wie viele andere) heutzutage auch gerne als „umstritten“ (mein Unwort des Jahres) bezeichnet, weil sie eigenständige und starke Positionen vertritt. Mittlerweile wird sie sogar massiv bekämpft, weil sie es gewagt hat, etwas unpopuläres zu sagen (als Satirikerin, das ist ihr Job). Das betreffende Zitat ist bereits zwei Jahre her und wurde nun von irgendjemanden wieder rausgekramt, verurteilt und scheint Grundlage des Hasses zu sein. Ich möchte es hier nicht nennen, da man es im Zusammenhang betrachten muss und das wird mir jetzt zu aufwendig. Ja, sie spielt mit Klischees, so wie man als Satiriker mit Klischees spielt, aber nicht schlimm; das ist keine Volksverhetzung. Sie hat sich im wesentlichen über einen kriminellen jüdischen Sexualstraftäter geäußert; also über den sollte man sich eher aufregen.

Aber ein Satz reicht heutzutage schon, um in den Medien als Unmensch zu gelten. Ich glaube, die meisten verstehen nicht, was sie sagt, weil sie ihr intellektuell weit unterlegen sind. Vor allem bin ich überzeugt davon, dass die Menschen heutzutage nur noch auf Reizwörter reagieren (nach Reizwörtern rea-geiern) und nicht mehr den großen Zusammenhang beurteilen – das wäre ja aufwendiger! Schade.

Und zu ihrem Mentor, Herrn Nuhr, muss ich auch noch etwas loswerden: Er ist sehr gut und meistens lustig; letztens leider etwas demagogisch und auf Meinungsäußerung und Weltverbesserung (vollkommen nutzlos) fixiert. Im Prinzip aber einer, der Wahrheiten ausspricht und das gut macht. Wird leider auch schlimm und übertrieben angefeindet. Seinen Talenteschuppen sehe ich mir immer wieder mal gerne an, aber alle anderen, bis auf Frau E.  sind meist verzichtbar.

Leute, werdet mal wieder etwas gelassener! Es gibt wirklich schlimme Menschen, gegen die man vorgehen sollte. Das hier ist nicht angemessen und im Verhältnis. Ich bin auch nicht wirklich ein Freund der Satire, sondern eher des Humors – das ist ein Unterschied! Aber ich habe hier eine kurze Miniwürdigung zur Satire verfasst.

09. Dezember 2020 // Kulturelles // Kommentar schreiben!

Unwort des Jahres

Ich hatte bereits vor langer Zeit eine kurze Würdigung dazu geschrieben und später sogar mein persönliches Unwort des Jahrzehnts gewählt, möchte aber noch einmal näher auf das Thema eingehen.

Eine löbliche Initiative, um auf Mißstände im Gebrauch der deutschen Sprache hinzuweisen und besonders schlimme Wörter zur Abschreckung mit einem Negativpreis zu versehen. Manche Mäkelfritz*Innen (Spaß) sagen aber auch „Sprachpolizei“ dazu und meinen es abwertend, aber eigentlich ist das gut! Jemand muss sich doch um die Erhaltung unserer Kultur kümmern. Für alles gibt es heutzutage eine Lobby, warum nicht auch für unsere Sprache. Der Begriff „Polizei“ ist auch vollkommen unangebracht, weil die Anwender von Unwörtern ja leider nicht verfolgt, verurteilt und eingesperrt werden können.

Wer steckt eigentlich dahinter? Das ist etwas unklar: Ursprünglich wurde das Unwort wohl von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt. Die Jury hat sich aber offensichtlich „Nach einem Konflikt mit dem Vorstand der GfdS“ (Wikipedia) selbständig gemacht und kann jetzt machen, was sie will. Der GfdS bleibt jetzt nur noch das Wort des Jahres, das sehr prominent vermarktet und kommuniziert wird, aber doch langweilig ist! Beim Unwort urteilen jetzt ein paar selbsternannte Experten über unsere Sprache und haben mittlerweile einen Achtungserfolg damit. http://www.unwortdesjahres.net/ Aber auch andere möchten mitmischen (siehe unten), selbst Wikipedia ruft Nutzer zur Nennung ihres Unwortes auf (uninteressant). https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Unwort_des_Jahres_2020

Dabei werden weniger Wörter gewählt, die sprachwissenschaftlich zum kotzen sind, als Wörter, – genaugenommen sind es meist Wortneuschöpfungen von Menschen, die im Rampenlicht stehen, was ich eigentlich gut und kreativ finde – die ethisch und/oder moralisch und/oder politisch nicht tragbar sind, was die ganze Sache natürlich etwas angreifbar macht, weil es natürlich unterschiedliche Ansichten dazu gibt. Also eher Aufregerwörter. Zum Beispiel 2019: Klimahysterie; 2018: Anti-Abschiebe-Industrie; 2017: alternative Fakten [das ist für mich das allerbeste Unwort bisher, da es sowohl sprachlich widersinnig, als auch politisch unerträglich ist]; 2016: Volksverräter; 2015: Gutmensch; 2014: Lügenpresse. Zu allen hätte ich etwas zu sagen, aber aktuell keine Lust.

Viele der gewählten Unwörter scheinen eher aus dem konservativen Spektrum zu stammen, das macht die Sache etwas tendenziös; vielleicht ist es aber auch so, dass diese besonders kulturlos sind. Und: es ist natürlich schwierig, nur ein Wort als das besonders herausragend schlimme auszuwählen. Ich schlage vor, 100, vielleicht 1000 Unwörter zu küren, da es sicher so viel Auswahl gibt. Vielleicht könnte Lenny mal ein Buch mit kuratierten Listen darüber schreiben; aber er befasst sich – wie ich – viel lieber mit den schönen Wörtern der deutschen Sprache.

Aktuell ist auch der Tagesspiegel auf die Idee gekommen, mal eigene Unwörter zu verkünden und daraus einen vielleicht verkaufsfördernden Artikel zu machen, und er hat kurz vor der neuen offiziellen Wahl im Januar nächsten Jahres wohl ein paar Mitarbeiter dazu aufgefordert, ihr ganz persönliches Unwort zu küren und die Wahl zu begründen. Das ist natürlich nicht wissenschaftlich, eher schwer subjektiv, aber grundsätzlich eine gute und interessante Aktion und immerhin der eigentliche Anlass für diesen Artikel. Aber das Ergebnis ist frustrierend.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/von-geisterspiel-bis-genderwahn-wir-praesentieren-unsere-zehn-unwoerter-des-jahres/26646512.html

Folgendes wird aufgeführt und ich erlaube mir entsprechende Kurzkommentare zu jedem Beitrag.

Risikogebiet

Die Autorin regt sich über die Einteilung der Viruslandschaft in Gefährdungsgebiete auf, dabei ist das doch wissenschaftlich begründet und sinnvoll. Also kein Unwort.

umstritten

Das gefällt mir sehr gut, im negativen Sinne! Die Autorin zeigt auf, wie das Wort die Bedeutung wichtiger Künstler oder Politiker schlagartig entwertet. Sobald ein anderer eine andere Meinung hat, ist jemand umstritten? Nein, das müssten schon ca. 50% der Gesellschaft sein, die etwas kritisieren. Das Wort wird populistisch und inflationär eingesetzt, macht oft harmlose, eigentlich bewundernswerte Menschen nieder, die vielleicht auch nebenbei einmal etwas unpopuläres sagen und könnte damit gut zu meinem Lieblingsunwort des Jahres werden!

Cancel Culture

Ein englisches Wort, schwer verständlich, daher schon kritikwürdig, das aber eine schlimme Entwicklung benennt: Kunst darf nicht mehr stattfinden, weil es Bedrohungen dagegen gibt. Das ist kein Unwort, sondern eine schwer inakzeptable Entwicklung. Der Autor sieht das Ganze etwas zu politisch und meint, äh was eigentlich? Auf jedenfall ist das aus meiner Sicht kein Unwort, aber der Hintergund durchaus verhindernswert.

Geisterspiele

Kein Unwort, brauche ich nicht darauf einzugehen.

Genderwahn

Puh, ich bin aus sprachlichen Gründen ein erklärter Gegner der genusgerechten Sprache, weil sie damit verhunzt wird, aber auch ein Befürworter der totalen Gleichbehandlung der Geschlechter und sonstiger. Aber das Wort ist schön prägnant und griffig und gefällt mir als einprägsames Schlagwort. Die Autorin schreibt etwas diffus über dessen Bedeutung. Aber nicht wirklich ein Unwort, oder?

Opferanspruchsideologie

Das ist ein ziemlich langes und unschönes Wort. Auch der Hintergund etwas kompliziert und musste etwas recherchieren, was eigentlich gemeint ist. Die Autorin erklärt es nicht genau, aber was ich mitbekomme: man darf Menschen mit jüdischem Glauben nicht kritisieren, sonst wird man zum Unwortschöpfer erklärt. Und natürlich ist das ein Kampfbegriff, der auch abwertend sein kann, aber kein Unwort des Jahres. Dafür ist er auch zu wenig präsent und wird durch die Nennung unnötig gefördert und überbewertet.

Wahlkrimi

Das ist sicher kein nennenswertes Unwort – brauche ich nicht näher darauf einzugehen.

Systemrelevant

Ein interessantes Wort, das in Zeiten des Virus‘ sehr aktuell aber sicher nicht zeitlos ist. Die Einteilung finde ich in diesem Fall richtig und wichtig. Gleichzeitig verstehe ich die Kritik daran, da sich andere benachteiligt fühlen könnten. Aber in diesen Zeiten sind Prioritäten nun mal wichtig. Etwas wirrer Beitrag des Autors. Da könnte ich sogar besssere Pro-Argumente liefern, obwohl ich kontra bin. Nicht überzeugend.

Telko

Ein Wort, dass mir in heutiger Zeit nie begegnet ist, ich verorte das eher in die Neunzigerjahre, daher irrelevant.

Islamfaschist

Bezeichnet eine Ausrichtung des Islam, die vorhanden ist. Für mich eine neutrale Bezeichnung. Soweit ich weiß, auch nicht neu, sondern ein bereits „in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aufgestellter Neologismus “ (Wikipedia).  Politisch korrekt, unterwürfig, Neudeutsch  und weniger angreifbar könnte man schreiben „Islamismusfaschist“. Der Autor flippt allerdings hauptsächlich aus, weil das Wort von einer Rechtspopulistin ausgesprochen wurde. Deswegen ist es aber doch nicht gleich ein Unwort?!

Leute, kommt mal runter! Nicht jede mißliebige Aüßerung muss gleich mit allen Mitteln bekämpft und stigmatisiert werden. Lest auch mal den Zusammenhang. Toleranz tut auch ganz gut. Es gibt auch Menschen, die mal schlimme Wörter nutzen, in Wirklichkeit aber ganz nett und harmlos sind. Das Gesamtbild ist wichtig.

Ich überlege, ob ich wohl mal selber eine Kategorie der Unwörter eröffnen soll, obwohl ich mich lieber mit dem Schönen befasse. Mein erstes Unwort wäre vielleicht „Unwort“.

02. Dezember 2020 // Deutsches, Wörter // 2 Kommentare

Rezension über ein Buch, das ich nicht gelesen habe

Weil ich keine Bücher mehr lese. In diesem Fall hätte es mich aber interessiert: Jan Reetze – Times & Sounds – Germany’s Journey from Jazz and Pop to Krautrock and Beyond. Langer Titel.

Genaugenommen eine Rezension über seinen Blog, der Hinweise über die mögliche Qualität des Buches liefert. Ein Typ, der verrückt nach Krautrock ist; selbst im Artikel über die Alben des Jahres 2017 werden noch manche Veteranen aus dieser lange vergangenen Zeit genannt. Er hat einen wunderbaren und professionellen Schreibstil. Ich lese auch Artikel, die mich eigentlich nicht interessieren, und freue mich darüber.

Een Hamburger Jung, der nach Amiland gemacht hat, und sein Buch in einem Verlag  mit dem Namen „Halvmall“ (Englisch: halbes Einkaufszentrum? Nein plattdeutsch! „halb verrückt, wunderlich“; siehe Wörterbuch für Ostfriesland) veröffentlicht. Leider nur auf englisch. Und er hätte sich auf den Bereich Krautrock beschränken sollen, dann wären das auch nicht unlesbare über 5oo Seiten geworden. Aber er wollte wohl ein Standardwerk schreiben.

Titel eines zukünftigen Standardwerkes zur deutschen Popmusik?

Auf seine Seite bin ich zufällig gestoßen und zwar im Rahmen einer Kurzrecherche zu Rolf-Ulrich Kaiser, der mir in einer wunderbaren Dokumentation des WDR zum Thema mit dem Namen „Kraut Und Rüben“ begegnet ist. Ich stieß dabei auf Herrn Reetzes Artikel „Rolf-Ulrich Kaiser & Gille Lettmann: Die Story der Kosmischen Kuriere“. Er scheint ein ausgewiesener Kenner zu sein und schreibt hier eine sehr interessante Geschichte zu einem – na klar! – wichtigen Protagonisten und Förderer der deutschen (Kraut-)Rockmusik der Siebziger, die mich in den Bann gezogen und zu dieser Rezension gezwungen hat.

JR ist vielseitig und schreibt auch über Design, die Spiegel-Kantine, den Film Vagabundenkarawane (schön sein Hinweis auf das Deppenleerzeichen bei einem Videoportal), den ich mir sofort angesehen und für wichtig befunden habe,  sowie über private Gedanken und Erfahrungen. Aber besonders interessant sind die Musikrezensionen. Nico habe ich gelesen und hat mir gefallen, obwohl ich sie überbewertet finde. Talking Heads interessieren mich nicht, aber schöner Artikel. Und vieles anderes. Er bemängelt oft auch die Parteilichkeit anderer Autoren, die die Geschichten ihrer Ideale nicht hinterfragen. Und relativiert so manches. Und ich glaube ihm jedes Wort.

Das Ganze teilweise zweisprachig. Etwas schwierig ist der Spagat zwischen den Zielgruppen Amis und Krauts. Was das Buch betrifft, denke ich, es könnte auch bei den Tommies erfolgreich sein, da die da verrückt nach Krautrock sind.

Und ich fürchte, dass sich kaum jemand in Amiland für spezifisch deutsche Hintergrundinformationen seines Blogs interessiert. Zum Beispiel folgendes und für Inländer wichtiges: Eine umfassende Rezension zur historischen Krimiserie Tatort, die die anfängliche Qualität der Serie würdigt, aber auch zurecht den späteren Abfall und die unerträglich zunehmende Klischheehaftigkeit bemängelt. Hier ein paar großartige Zitate:

  • „Zunehmend hatten die Ermittler nun auch mit Psychopathen und sonstigen Durchgeknallten zu tun – und das ist für die Dramaturgie eines Krimis immer problematisch, weil die Taten eines Psychopathen kein Motiv brauchen.“
  • „Konsequenterweise auch wurden die Episoden immer klaustrophobischer ausgeleuchtet und aus immer seltsameren Kamerawinkeln gefilmt. Aber es hilft nichts, die Kölner Südstadt oder Sindelfingen werden nicht zur Bronx, egal, wie man sie beleuchtet.“
  • „Nicht zu vergessen im übrigen jene Episoden, die in kleinen Dörfern angesiedelt waren: Hier konnte man sicher sein, dass hinter den Fenstern des Schweinestalls der blanke Horror zu Hause war und die Polizei auf die offenbar unvermeidliche „Mauer des Schweigens“ stoßen würde.“
  • „Der wohl ärgerlichste Gimmick aber, den die „Tatort“-Macher jemals entwickelten, bestand darin, die „Tatort“-Kommissare auf einer persönlichen Ebene in die Fälle zu verwickeln, die sie jeweils gerade zu lösen hatten. Diese Masche war ebenso nervtötend wie vorhersehbar“

Ok, das reicht erstmal, lest einfach den Artikel, falls es Euch interessiert, oder auch falls nicht; weil er gut ist. Das Thema ist jetzt etwas überbewertet, aber es soll den Schreibstil zeigen und Lust auf mehr bewirken. Seht Euch vor allem aber die Musikrezensionen an. Es gibt auch eine wichtige Würdigung des Rockpalast und seines Erfinders.

Und natürlich ist nicht alles zustimmungswürdig, was er so von sich gibt. So wird zum Beispiel Henryk M. B. als „exzellenter Schreiber und begnadeter Polemiker“ bezeichnet, den ich nicht ausstehen kann, da er nur billig und bewusst und arrogant provozieren möchte. Auch findet er eine aktuelle Fernsehserie aus dem Berlin der Zwanzigerjahre gut, die ich nur als reißerisch, brutal und charmelos einstufe.

Egal. Aufgrund des Schreibstils und seiner offensichtlich fundierten Kenntnis in der musikalischen Welt, bin ich überzeugt davon, dass es ein gutes und wichtiges Buch ist und würde es vielleicht sogar kaufen und ins Regal stellen.  Aber: Hallo Jan, sieh‘ mal zu, dass das Buch auch auf Deutsch erscheint, von Dir geschrieben, da ein Übersetzer sicher nicht das sprachliche Feingefühl hat, dies adäquat zu tun! Oder schielst Du nur auf den „internationalen“ Markt? Das wäre schade.

Und melde Dich mal, würde mich freuen!

[Hier die Klickhilfe zum Blog mit der Werbung zum Buch und ein recht aktuelles Interview mit weiteren Hintergrundinformationen: https://janreetze.blogspot.com/]

18. November 2020 // Musikalisches, Rezensionen // 1 Kommentar

Meine kurze Geschichte als Frauenheld

Mein erster bleibender Eindruck durch weibliche Mitmenschen erfolgte wohl in Irland durch Aislinn O’Farrel, wunderhübsch, lange dunkle Locken, die mich im zarten Alter von unter 10 beeindruckte, aber mehr war nicht.

Bewusst fing es aber an, als ich 13 war und in einer Kleinstadt in einem Landkreis lebte, der nie für Aufsehen gesorgt hat. Sie hieß Dixie. Meine Freunde dichteten ein Werbelied für Plantschi um auf „Dixie ist prima, Dixie ist ’ne Wucht. Mit Dixie macht das baden Spaß“. Und alle haben sich einen Spaß daraus gemacht. Man ging stundenlag im Wald spazieren, Und nie passierte irgendetwas. Man unterhielt sich bemüht. Und war extrem schüchten, und schwieg auch sehr viel. Puh, ziemlich verkrampft und anstrengend. Ich habe aus einer Telefonzelle heraus Schluss gemacht.

Dann kam Ingrid. Schon etwas gereifter als ich. Zum Abschied nach dem ersten Treffen gab es meinen ersten Zungenkuss und ich habe mich zu Tode erschrocken. Etwas weiches, salziges, fremdes schiebt sich ungefragt in meinen Mund und erobert die Rachenhöhle. Zu Essen gab es bei Ihr zu Hause ekeliges Leberragout.Das konnte nicht gutgehen.

Nanette in der Klasse war der Schwarm aller Jungs. Blond, schwarzer Niki und vor allem – große Möpse! Ich hätte sie wohl haben können („unklarer Bezug! – hätte mein Deutschlehrer angemerkt“). War aber zu schüchtern. Auf der Klassenfete habe ich Musik per Kassettenrekorder aufgelegt, und mich nicht getraut, sie zum tanzen aufzufordern. Beim letzten Stück aber doch noch. Und sie fragte, „warum hast Du das nicht früher gemacht?“.

Dann Beatrix, die bürgerliche Tochter des örtlichen, kleinstädtischen, angesehenen Haushaltssortimentanbieters – heute wäre es wohl ein Baumarkt. In die war ich extrem verknallt! Groß, gewellte dunkle Haare. Heute noch mein Traum und wohl prägend. Und wir haben in dunklen Partykellern der Siebziger stundenlang Blues getanzt. So langsam wie möglich! Das gibt es heute gar nicht mehr. Zu „Nights in White Satin“ und „It’s five o’clock“. Aber ich war kein Draufgänger. Mein sieben Jahre älterer Lieblingsfreund Klaus hat ihr – nach Mitteilungen aus zweiter Hand – auf dem Burggelände der Kleinstadt unter dem T-Schirt rumgefummelt und sie war weg. Das ärgert mich heute noch.

Nun, das Leben geht weiter. Aber wichtiges passierte erst viele Jahre später: Karneval in Köln. Es gibt keine bessere Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen – und schöne Fotos zu schießen. Zum Beispiel mit der bodenständigen K.V. – oder doch mit ihrer Freundin, der Künstlerin F.T.? Ich erinnere mich, dass ich mich nicht entscheiden konnte. Ich dachte, ich wäre in der Position, entscheiden zu können. K.V. hat dann die Initiative ergriffen, was zu einem langjährigen Erfolg geführt hat.

Dann, in den achtzigern, kam C.S., in die ich total verknallt war, auch groß, stark, aber blond und leider ziemlich lesbisch veranlagt, was die Sache etwas kompliziert machte. Und extrem nach Selbständigkeit strebend und entsprechend manchmal abweisend – das stärkte das Verlangen. Das waren schöne aber für mich auch offensichtlich sehr unbefriedigende Zeiten. Auch sie ist später zu meinem damaligen Freund R.M. umgeschwenkt. Irgendetwas habe ich wohl immer grundsätzlich falsch gemacht.

In der Zeit ist noch verschiedenes passiert. Ich erinnere mich auch an eine platonische Beziehung N., die Freundin meines o.g. Freundes R.M. Und dann noch die Schwester von R.M. Damals war wohl alles noch ein wenig offener.

Aber schließlich auch P.F.. Groß, dunkelhaarig, new wavig, stark. Mein Traum und heute noch aktuell.

Habe ich eine vergessen? Und falls Ihr hier genannt wurdet: meldet Euch bitte! Würde gerne mal wissen, was Ihr heute so macht.

P.S.: Die Namen wurden von der Redaktion geändert. Jeder Bezug zu lebenden oder toten Personen ist rein zufällig. Und: pikante Details wurden nicht berücksichtigt.

13. November 2020 // Autobiographisches // Kommentar schreiben!

Mit Schreiben Geld verdienen!

Vorbemerkung: Wenn Ihr über eine Suchmaschine auf diesen Artikel stoßt, seid Ihr hier vermutlich falsch und braucht nicht weiter zu lesen, da das hier kein Ratschlagmedium ist, eher der Unterhaltung dient und der Titel  nicht das hält, was er mutmaßlich verspricht.

Niemals möchte ich mit dem Schreiben Geld verdienen! Man fängt an, sich zu verkaufen. Sobald man einen Geldgeber hat, fühlt man sich verpflichtet, kompatibel zu schreiben, sich anzupassen, sich zu verbiegen – sich zu PROSTITUIEREN. Nein, das hier ist Kunst. Absolut, unabhängig und frei von jeglichen Zwängen, Rücksichtnahmen, Gefälligkeiten, politischen Korrektheiten. Hier kann ich schreiben, was ich will, und deswegen mache ich das.  // weiterlesen! 

Ein unterstützenswerter Worterhalter

Diese Seite habe ich erst jetzt entdeckt. Ich wusste wohl schon von jemandem, der (wie ich!) schöne Wörter sammelt, und ich wollte mir das immer schonmal ansehen. Nun bin ich zufällig auf seine Seite gestoßen und bin etwas frustriert. Dieser Kerl nennt sich Lenny und hat meine Idee geklaut! Der erste Eintrag zu meinem Tagebuch ist vom Januar 2008. Bei ihm fing es erst 10 Jahre später an. Aber er macht es wesentlich ausführlicher und konsequenter als ich. Er sammelt und dokumentiert „Begriffe mit dem besonderen Klang.“ „schöne, seltene, originelle, alte Wörter aus der deutschen Sprache“. Ein wichtiges Anliegen.

Diese werden zu Listen mit bestimmten Themen zusammengefasst. Die Idee finde ich gut! Ich habe bis heute keine schöne Lösung gefunden, meine mühsam gesammelten Wörter wirkungsvoll zu präsentieren und habe mich auf die Minimalversion festgelegt: ein Lustwort pro Sekunde. Bei ihm kann man sich – je nach Stimmung (er ist ein Romantiker) – gleich eine ganze Liste bestimmter Wörter ansehen und sich daran erfreuen (Wohlfühlwörter, Schlummerwörter, Schimmerwörter, LUSTWÖRTER – das hat mich auf diese Seite gebracht!). Das wird schon lange in der Musik so gemacht – Abspiellisten für jede Stimmung. Wobei ich mich gerade frage, ob man sich bestimmte Musik anhört, wenn man in einer Stimmung ist, oder weil man will, dass die Musik diese Stimmung erzeugt. Egal. Bei ihm sind das Listen, mit bis zu 187 Wörtern, oder 99, 49, 59, 69, (niemals ganze Zehner, die 9 muss immer am Ende stehen) die heruntergerattert werden. Mit kurzer Einführung und Beispielen aus der Literatur. Manchmal immerhin mit Kommentar, und dann wird es erst interessant.

Manche Listen haben nur einen bestimmten Wortstamm gemein, Wörter, die zum Beispiel die Silbe „Wohl“ oder „LUST“ https://sternenvogelreisen.de/lust-woerter/ enthalten. Bei diesen habe ich den Eindruck, Monsieurchen hat einfach nur  das sehr empfehlenswerte Grimmsche Wörterbuch aufgerufen, seine Silbe in die Suchfunktion eingegeben, die Ergebniswörter kopiert und dann bei sich eingefügt; vielleicht nochmal etwas redigiert und ein paar gelöscht. Egal: das Ergebnis zählt. Aber keiner macht sich wohl die Mühe, alle Wörter einer Liste auf sich wirken zu lassen. Hier hätte ich mir eine größere Beschränkung oder mehr Erläuterung gewünscht.

Das Ganze macht er nicht nur zum Spaß. Sondern er hat ein Buch darüber geschrieben, das verkauft werden soll. Die Seite ist im wesentlichen eine Anstiftung dazu, die Hinweise dazu sind prominent und recht penetrant eingebunden. Schade. Trotzdem macht es großen Spaß, darin zu stöbern! Leider lässt er keine Kommentare zu.

Nach Ausweitung meiner Recherche, musste ich dann feststellen, dass es doch noch haufenweise andere Bücher gibt, die sich mit schönen, seltenen, in Vergessenheit geratenen, schrägen, lustigen, altmodischen, sonstwas Wörtern der deutschen Sprache beschäftigen. Dazu muss ich wohl leider nochmal einen getrennten Artikel verfassen. Ganz altruistisch rufe ich hiermit dazu auf, diese Bücher zu kaufen, da das Anliegen unterstützenswert ist. Guckt aber auch abundzu mal bei Lustwort vorbei, hier gibt es alles kostenlos und immer wieder mal Neues!

Ich fing an zu recherchieren, was er sonst so macht und habe festgestellt, dass er ein sehr umtriebiger und unternehmenslustiger Mensch ist, dass er fleißig auch noch andere Bücher schreibt und vor allem: dass ich ihm schon früher begegnet bin! Damals hieß er noch Sven und hat die wichtigste Netzgestalterbibel Deutschlands herausgebracht und unter dem in der Szene hoch angesehenen Namen „Dr. Web“ vertrieben (eine sehr interessante und reflektierte Geschichte dazu hat er hier verfasst).

Falls Du das liest: Danke Sven, das hat mir sehr in meiner Selbständigkeit geholfen, und ich habe mir das gelbe Buch damals auch gekauft! Und Dein Wörterbuch hole ich mir auch noch, muss ja gucken, was die Konkurrenz so macht …

Und den internationalen Nachfolger „Smashing Magazine“, leider nur in englisch, mir zu plakativ und abgehoben. Auch hat er einen Blog unter dem Namen conterest betrieben, der ganz interessant ist. Hier zeigt sich schon seine Vorliebe für Listen. Ein Listenfetischist!  In „1001 Gründe für Blogger“ nennt er tatsächlich ebensoviele. Ein beachtenswerte Fleißarbeit. Aber auch etwas beliebig. Auch hier wird das keiner durchlesen sondern nur vom Umfang beeindruckt sein. Der Artikel stammt von 2018. Dann kam nichts mehr. Es ist schade, dass dieser Blog und das Bloggen allgemein trotz der preisverdächtig vielen gebloggten Gründe weitgehend ausgestorben sind. Ein Ausdrucksmittel des Individualismus, der Selbständigkeit, der Freiheit, der Unabhängigkeit. Mehr Gründe braucht es eigentlich nicht, um eigenes zu veröffentlichen.  Heute treiben sich fast alle nur noch in Netzwerken der Großkonzerne herum und unterwerfen sich dem Anbieter und den Mag-Ich-Zahlen. Auch Svenny?

Und hier die Klickhilfe: https://sternenvogelreisen.de/

06. November 2020 // Deutsches, Rezensionen // 4 Kommentare

Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute

Den bietet uns das DWDS – ein wunderbar selbstgenanntes „Wortinformationssystem“, oder offiziell: „Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache“. Es ist zu meinem Lieblingsnachschlagewerk in diesem Zusammenhang avanciert, das hatte ich in meiner etwas lustlosen Dokumentation der wichtigsten Anlaufstellen für Informationen zur deutschen Sprache im Netz bisher nicht berücksichtigt. Daher nun eine gesonderte und verdiente Würdigung.

Dahinter steckt die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW), gefördert von uns, über das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Eine Institution, die „Auskunft über den deutschen Wortschatz in Vergangenheit und Gegenwart gibt“. Und das wunderbar wissenschaftlich tut.

Die Datenbasis bilden mehrere Korpora – ein Wort, das ich bis dahin nicht kannte – und das das System selbst nicht findet! Ich nehme an, Quellensammlungen. Viele – auch Zeitungen und das Netz – werden berücksichtigt. Der umfangreiche Fundus wird für die verschiedensten Analysen und Dokumentationen verwendet.

Zentrale Grundlage ist natürlich das Wörterbuch. Zu jedem gesuchten Wort (und ich habe bisher keines, außer dem oben genannten, nicht gefunden) gibt es alle Informationen zu Grammatik, Bedeutung, Etymologie, Thesaurus, Typische Verbindungen, Verwendungsbeispiele.

Ich nutze das Wörterbuch mittlerweile auch per Verlinkung im Rahmen meiner Präsentation zum Lustwort der Sekunde, da ich hier nicht alles bieten kann und will.

Zu „Lustwort“ gibt es leider nur eine karge, dafür aber sehr interessante Information, da ich es selbst erfunden habe und es trotz dieses tollen Tagebuchs noch nicht in die Wörterbücher und Suchapparate geschafft hat. Es gibt aber eine historische Textstelle aus der Literatur dazu: „‚alte kirchen haben dunkle gläser! — wie kirschen und beeren schmecken, musz man kinder und sperlinge fragen!‘ diesz waren unsere lust- und leibworte.“ Göthe 26, 69. (Goethe!!! Allein, die Namensschreibung irritiert mich etwas, aber der ist gemeint! Und: kannte der keine Großschreibung?)

Das Wörterbuch ist sonst sehr solide und hilfreich und umfassend. Aber was ich liebe, ist die Wortverlaufskurve. Die zeigt an, wie häufig ein Wort im Laufe der Jahre eingesetzt wurde. Das ist neu und interessant. Die Nutzung des Wortes „Demografie“ hat zum Beispiel extrem zugenommen, während „Backfisch“ abgenommen hat (wobei hier unklar ist, ob der Fisch oder das Mädchen gemeint ist). Man kann auch zwei Wörter gleichzeitig betrachten; der Anbieter nennt das Beispiel Turnschuhe und Sneakers. Obwohl beide in letzter Zeit zugenommen haben, holt Sneakers den Turnschuh doch langsam aber sicher ein. Ich habe mal die Wörter Freiheit und Demokratie eingegeben, die beide seit den späten Vierzigern abgenommen haben und seit einigen Jahren auf gleichem Niveau aber wieder etwas ansteigen. Das ist beruhigend.

Für die Profis unter Euch: Es gibt auch die Möglichkeit, nach Kookkurenzen zu beliebigen Wörtern zu suchen. Oder – sicher hochinteressant – eine Kollokationsanalyse in diachroner Perspektive durchzuführen!

Und eine Suche nach Wörtern aus politischen Reden. Die Nutzung ist hier, wie bei anderen, leider eher etwas für Programmierer; aber die können sich dann hemmungslos austoben, auch reguläre Ausdrücke einsetzen und alles sehr flexibel. Seht Euch mal die Möglichkeiten der „Suchabfragesprache“  an, das könnte man sicher mal nutzerfreundlicher gestalten.

Die haben sogar eine Erweiterung für meinen Lieblings-Netzseitenanzeiger mit F. programmiert, die es ermöglicht, Wörter, denen man damit im virtuellen begegnet, direkt per Markierung und Rechtsklick im DWDS nachzuschlagen. Und auf den Bildschirm  zu zaubern.  Die habe ich gleich installiert.

Und es gibt noch mehr. Das soll hier keine umfassende Bewertung und/oder Beschreibung werden. Schaut einfach mal rein. Es ist wirklich eine wunderbar wissenschaftliche, neutrale Seite, die sicher jedem Sprachinteressierten Spaß macht.

Hier die Klickhilfe: https://www.dwds.de/

24. Oktober 2020 // Deutsches, Rezensionen // Kommentar schreiben!

Wichtiges

Es ist schön, zu sehen, wie etwas, das einem mal extrem wichtig war, auch mal wieder unwichtig wird. Zunächst wollte ich dieses Tagebuch unbedingt einem bekannten Schreiberling nahebringen, den ich großartig fand, der aber totz wiederholter Kommunikationsversuche, nicht willens war, zu antworten. In der Zwischenzeit rasen die Gedanken davon. Und ich entdecke andere Schreiberlinge, die auch nicht schlecht sind und die sich als Zielgruppe anbieten. Konkurrenz ist etwas gutes (wenn man der Konsument ist)! Mittlerweile bin ich gar nicht mehr soo wild auf den Erstwunschkontakt. Phasenweise sogar eher auf gar keinen Kontakt. Das kann einen ja auch unter Druck setzen. Ich existiere auch so.

Dazu fällt mir eine extrem gute und komprimierte Szene aus „Blow Up“ ein. Späte Sechzigerjahre, genaugenommen 1966. Der Hauptprotagonist läuft etwas ziellos durch die Stadt und landet in einem Beatkeller, dem wohl damals real existierenden und einflussreichen Ricky-Tick (das bedeutet: „as soon as possible“ oder es bezeichnet „A style of jazz regarded as old-fashioned or unsophisticated“). Es spielt, in einer legendären Szene, eine legendäre Band, mit den später legendären Jimmi Page und Jeff Beck, ein tolles Stück (für die Liebhaber unter Euch: The Yardbirds – Train Kept A Rollin‘).

Das Publikum schaut stoisch und unbeweglich zu. Nur ein Paar tanzt am Rande, selbstverliebt und etwas lustlos, dazu. Dann passiert etwas unerhörtes. Der Gitarrist zerdeppert – vor Publikum – aus Frust vor dem schlechten Verstärker seine Gitarre;  kaputt! (hat er hier von Pete von The Who abgeguckt oder umgekehrt?) Während die Musik weiter läuft! Die funktioniert auch ohne Leadgitarre. Und wirft den übriggebliebenen Gitarrenschaft in die Menge. Alle flippen aus und stürzen sich wie verrückt darauf. Zufällig erhascht unser Protagonist das Teil, kann sich gerade noch aus der ihn wild verfolgenden Menge winden und schafft es nach draußen. Dort ein kurzer Blick auf die Beute und dann schon ehemalige Devotionalie: das gute Stück wird desinteressiert in die Ecke geworfen. Ein Passant sieht es, hebt das Teil nochmal prüfend auf – und wirft es etwas achtlos wieder weg.

Die Wichtigkeit ergibt sich manchmal nur aus dem Zusammenhang heraus, aus Vorstellungen und Bildern – und kann sich auch wieder verflüchtigen. Das entspannt.

Und hier das Werk zum Beweis.

Wunderbare Szene aus Blow Up von Antonioni, die zeigt, dass wichtiges auch sehr schnell mal wieder  unwichtig werden kann.