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Gestern wurde jemand beleidigt

Klingt langweilig, oder? Es ist aber interessant zu sehen, wie Medien und Öffentlichkeit auf gleichartige Straftaten unterschiedlich reagieren. Ein Beispiel der eher harmlosen Art: Gestern wurde jemand auf offener Straße beleidigt. In der Tageszeitung keine Meldung wert. Es fehlt nur ein Wort, um dies zu ändern „homophob“ oder „fremdenfeindlich“ oder „antisemitisch“. Dann bekommt die Meldung eine politische Bedeutung und wird als wichtig erachtet.

Warum eigentlich? Klar ist es nicht schön, jemanden aus politischen, rassistischen, frauenfeindlichen, homophoben, behindertenfeindlichen, antisemitischen, kinderfeindlichen oder sonstigen Gründen zu beleidigen. Der Grund der Beleidigung ist doch eigentlich irrelevant. Traurig ist es, dass es für manche Randgruppen ein Bewusstsein gibt, das anderen Mitgliedern der Gesellschaft – der Mehrheit – verweigert wird. Für diese kann die Beleidigung genauso schlimm sein!

Gestern wurde ein weißer Mann, Mitte 50 beschimpft. Der hat leider keine Lobby, keine Öffentlichkeit. Gestern wurde eine Frau von ihrem Mann geschlagen. Keine Meldung. Gestern wurde jemand beim Überqueren der Straße bei Grün fast von einem Auto umgefahren. Eine alte Frau auf dem Gehweg von einem Fahrradfahrer bedrängt. Ein Kind von einem illegal frei laufenden Hund bedroht. Ein Junge von einer Gruppe jugendlicher mit Migrationshintergrund beraubt.

Es gibt – mit Sicherheit – überproportional viele Beispiele, die keine Beachtung finden. Ich bin nicht der Meinung, dass diese Meldungen überhaupt in der Öffentlichkeit genannt werden sollen, da sie das Empfinden für wichtige politische Meldungen relativieren und unnötig Betroffenheit erzeugen. Sie sollten aber den Entscheidungsträgern bekannt sein, um ihnen entsprechende Reaktionen zu ermöglichen. Teilweise wird damit durch die Medien auch Politik gemacht.

Ansonsten bin ich für Gleichbehandlung und Respekt für alle!

26. Dezember 2018 // Politisches // Kommentar schreiben!

Hinweise zum Datenschutz im Netz

Manchen ist es ja egal, wer welche Daten über sie speichert, weitergibt, verfälscht, missbraucht, zu Geld macht. Mir nicht. Und manchen anderen auch nicht. Für diese winzig kleine Zielgruppe möchte ich ein paar Maßnahmen zusammenfassen, die die Datenhoheit über die eigene Persönlichkeit verbessern. Es geht vor allem um den Datenschutz im Netz oder auf dem Klugtelefon.

Hier meine wichtigsten (evtl. unvollständigen) Vorschläge:

1. Nach dem Login wieder ausloggen
Ganz wichtig, sonst wird alles protokolliert während man eingeloggt ist und direkt mit der Person verknüpft. Wichtig ist auch, dass man sich nicht mit fremden Diensten einloggt sondern immer nur mit den spezifischen Zugangsdaten für den gewünschten Dienst.

2. Cookies löschen
Man kann zwar das setzen von Cookies im Browser ganz verhindern, dann kann man aber viele Seiten nicht mehr nutzen. Daher sollte man ab und zu die gesammelten Cookies im Browser komplett löschen. Damit wissen die besuchten Seiten nicht mehr, was man das letzte Mal gemacht hat.

3. Fiktive Daten angeben
Bei manchen geht das nicht, aber in vielen Diensten wird die Angabe privater Daten gefordert, obwohl sie nicht erforderlich sind. Hier ist es sinnvoll, erfundene Daten einzugeben, auch wenn die Nutzerbedingungen dies verbieten. Justizabel ist das wohl nicht.

4. Wegwerf-E-Mail-Adressen und -Telefonnummern nutzen
Um sich bei manchen Diensten anzumelden wird ein Link per E-Mail oder SMS zugeschickt, den man anklicken muss, um die Registrierung zu bestätigen und damit seine E-Mail zu verifizieren. Hierfür gibt es kostenlose Dienste, wie wegwerfemail.de, die einem die eingegangene E-Mail kurzfristig zur Verfügung stellen, ohne, dass man seine eigene Adresse preisgeben muss. Alternativ kann man sich bei vielen Diensten eine E-Mail-Adresse mit gefälschten Angaben besorgen – pseudonym. Bei Telefonnummern wird das schwieriger, geht aber auch manchmal mit anonymen/pseudonymen SIM-Karten, die manchmal über Verkaufsportale angeboten werden. Bin nicht sicher, ob das legal ist – vorher prüfen!

5. Anzahl der eingesetzten Dienste oder Programme minimieren
Klingt banal ist aber wirkungsvoll. Je weniger Dienste oder Programme auf dem Rechner oder dem Klugtelefon genutzt werden, desto weniger Daten sind im Umlauf und desto weniger kann eine Verknüpfung erfolgen.

6. Datenschutzeinstellungen und Berechtigungen nutzen
Die meisten Dienste bieten die Möglichkeit, den hemmungslosen Datenbeschaffung etwas einzugrenzen. Das sollte man nutzen. Auf Klugtelefonen kann man die Berechtigungen für einzelne Anwendungen einschränken.

7. Keine US-Amerikanischen Dienste nutzen
Ja klar, das geht kaum. Aber man sollte wissen, dass die keine Hemmungen haben, alles mit Ihren Daten zu machen, was Geld bringt. Europäische Dienste sind eher an Bestimmungen gebunden und entsprechend eingeschränkter.

8. Tor als Browser nutzen
Dieser ermöglicht einen weitgehend anonymen Besuch im Netz, da die IP-dresse verschleiert wird und nicht mehr zuordnenbar ist.

9. Oder zumindest Firefox als Browser benutzen
Dieser hat in den Einstellungen/Datenschutz/Streng (!) die Funktion integriert, die Verfolgung Deiner Tätigkeiten weitgehend zu verhindern. In Zusammenhang mit den Zusatzprogrammen uBock Origin und Privacy Badger kann man dann auch weitgehend unbeschwert durch’s Netz sausen.

Es ist nicht illegal, sondern ein Recht, seine Daten zu schützen. Leider muss man dafür etwas tun. Der Staat schützt die unerfahrenen zu wenig.

Ich bin selber sehr bewusst im Umgang mit meinen Daten; habe die Volkszählung in den Achtzigern mit falschen Angaben sabotiert. Und versuche auch in diesem Tagebuch meinen Klarnamen zu verschleiern. Aber der Forensiker beim BSI würde es aufgrund der vielen Andeutungen wohl schaffen, meine Identität zu ermitteln. Gut, dass er das nicht macht, weil es keinen interessiert!

26. Dezember 2018 // Internetz // Kommentar schreiben!

Gründer

Unternehmensgründer sind auch etwas gutes. Im Idealfall nutzen sie der Gesellschaft und verdienen auch noch daran. Gesellschaft ist vielleicht das falsche Wort – eher Wirtschaft.

Wenn ich mir so die aktuellen Ideen von Gründern ansehe („Die Höhle der Löwen“ war ein interessanter Einblick), werde ich skeptisch, ob damit irgendeine Bereicherung stattfindet. Die meisten Geschäftsideen, haben nicht viel zu bieten. Und die Zielgruppe ist oft winzig.

Es ist ein Phänomen, wie das Image der Gründer heutzutage ins irrationale gewachsen ist: jeder, der das Wort „startup“ in den Mund nimmt, ist bereits ein Held. Die Phantasie macht daraus jemanden, der in 10 Jahren Milliardär ist. So wie es manche Unternehmen durchaus geschafft haben. Aber eben nur sehr manche.

Gründer sind die neuen Rockstars. Schade. In meiner Jugend hatte ich andere Vorbilder. Da ging es um Musik, Kultur, Rebellion und Lebenseinstellung. Geld war total verpönt!

Ich möchte mal eine Liste der beklopptesten Geschäftsideen erstellen, das ist aber aufwändig und kommt bei Gelegenheit nach. Heute habe ich – passend zur Jahreszeit – von folgender erfahren: „Weihnachtsbäume zu vermieten“. Das läuft unter dem Motto Umweltschutz und Ressourcenschutz; klingt immer gut! Leider wachsen die Bäume nach 3 Wochen Aufenthalt in einer warmen Bude oft nicht mehr an und müssen doch entsorgt werden. Das kommt sicher in die Liste.

Interessant ist es auch, dass das Image der jungen Unternehmen so gut gepflegt wird, dass Leute, die dort arbeiten, schlimmste Bedingungen in Kauf nehmen, und ihre Arbeitskraft billig und unterwürfig verkaufen. Vielleicht denken sie: „ich nehme gerade an einer großen Sache teil“. Oder: „Ich muss nur 10 Jahre durchhalten, dann bin ich ein Krösus (… war der letzte König des in Kleinasien gelegenen Lydiens. Er regierte von etwa 555 v. Chr. bis 541 v. Chr. und war vor allem für seinen Wohlstand und seine Freigiebigkeit bekannt. Wikipedia).“ In Wirklichkeit beuten die Gründer ihre Arbeitnehmer nach US-Amerikanischem Vorbild gnadenlos aus. Hinzu kommt, dass diese meist erfolglose Unternehmen mittlerweile so viele Arbeitskräfte binden, dass es für mich schwierig wird, noch einen vernünftigen Programmierer zu finden.

Das Vorhaben, sich selbständig zu machen und eine Geschäftsidee umzusetzen finde ich grundsätzlich super – aber die Idee sollte irgendwie sinnvoll sein und der ganze Rummel darum gefällt mir auch nicht. Bin selber selbständig, ohne geniale Geschäftsidee – und es läuft auch ganz gut ;-}

19. Dezember 2018 // Glossen, Politisches // Kommentar schreiben!

Dienst an der Waffe

Ich war jugendliche 19, hatte mein Abitur – aus Faulheit – mit einer mittelmäßigen Note bestanden, und der Bund rief mich. Damals gab es noch die Wehrpflicht, mit der Option – wenn auch unter erschwerten Bedingungen – den Dienst zu verweigern. Ich wollte das, war Pazifist, und hätte lieber einen sozialen „Ersatzdienst“ angetreten.

Aber mein Vater wollte unbedingt, dass ich zum Bund gehe. Charakterbildung. Nationalismus. Tradition. Hat mich massiv unter Druck gesetzt und seine volle Autorität ausgespielt. Ich war damals kein durchsetzungsfähiger Mensch – und habe mich gebeugt.

Immerhin war es weniger der Dienst an der Waffe: als Sanitäter eingesetzt, nicht Panzergrenadier oder ähnliches, und als einziger Akademiker konnte ich dann dem technischen Offizier beim Bürokram helfen und ihn durch die Gegend fahren. Er hat das ausgenutzt und ich musste ihm auch Texte schreiben, über die er ein Referat halten sollte, da er in dieser Hinsicht nicht so helle war.

Grundsätzlich war es die schlimmste Zeit meines Lebens. Im Westerwald. Befehlston. Unterdrückung. Kulturlosigkeit. Drill. Furchtbare Menschen. Pflicht zu kurzen Haaren (das war Ende der Siebziger noch eine Schikane, die der Folter glich; heutzutage verpassen sich alle Jungendlichen gerne freiwillig einen Nazi-Haarschnitt). Ich habe dort auch gelernt, unglaublich viel alkoholisches zu trinken. Bei einem Schießwettbewerb habe ich als Bester den ersten Platz erreicht und eine Kiste Bier gewonnen! Ich hätte dort Karriere machen können, aber ich wollte es nicht, sondern so schnell wie möglich weg.

Immerhin, die Zeit war so schlimm und prägend, dass ich beschloss, niemals wieder auf andere zu hören und nur noch das zu machen, was ich für richtig finde. Ein Schlüsselerlebnis. Ich habe mich dann für verschiedene Studiengänge beworben und bin an meinem Wunschort – Berlin, möglichst weit weg, möglichst große Stadt – angenommen worden (Marburg war auch dabei – Glück gehabt!).

Da das Semester früh anfing, konnte ich noch mehrere Monate Sonderurlaub bei der Bundeswehr rausschlagen und damit das Martyrium frühzeitig beenden. Berlin war dann der Rahmen für die eigentliche Selbstverwirklichung. Die achtziger Jahre haben mich entsprechend geprägt. Dazu später mehr.

Schlussfolgerung im Nachhinein: Es sind auch negative und beschissene Erlebnisse, die einen weiterbringen. Man muss nur die Konsequenzen daraus ziehen.

Selbstinterpretation

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man eigentlich die Art nennt, wie ich schreibe, gibt es dafür eine Rubrik, eine Bezeichnung? Nein natürlich nicht! Das kann man nicht in eine Schublade stecken! Oder doch? Es scheint, einen Teil der Beiträge kann man als „Glosse“ bezeichnen.

„Unter einer Glosse … wird meist ein kurzer und pointierter, oft satirischer oder polemischer, journalistischer Meinungsbeitrag in einer Zeitung, einer Zeitschrift und im Fernsehen verstanden.“ (Wikipedia)

Oder im Netz (wundert mich dass die das nicht aufführen)!

Satire? Passt nicht so gut. Polemik, ein bischen. Meinungsbeitrag: sicher! Ich mag es jedenfalls, meine Meinung zu vertreten, Dinge zu vereinfachen, hemmungslos zu übertreiben und trotzdem auf den Punkt zu kommen. Man darf als Leser nicht alles ernst nehmen, aber die Aussage schon! Und man muss aber schon einen Sinn dafür haben, es zu lesen: der Philosoph wird sich angewidert abwenden; der Wissenschaftler kann damit nichts anfangen. Aber der etwas überdurchschnittlich allgemein interessierte, akademische Bürger, mit Humor, in fortgeschrittenem Alter, von Weisheit und Lebenslust geprägt, männlich, mit Geheimratsecken, ausreichendes Sehvermögen, unterbeschäftigt, schon.

Ich weiß, die Zielgruppe ist klein, aber Hauptsache, mir macht es Spaß.

12. Dezember 2018 // Gedanken, Glossen // Kommentar schreiben!

Achtung: Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands!

Früher gab es Grenzen innerhalb Berlins, auf die man durch die Besatzer hingewiesen wurde. Heute gibt es eine virtuelle Grenze zwischen der Hauptstadt und dem Rest Deutschlands. Die macht folgendes klar: Berlin ist Scheiße!

Das muss mal so raus. Auch wenn es nicht meinem Stil entspricht. Eine Stadt, die einen täglich nervt, die nichts hinbekommt und dann noch proklamiert, das wäre sexy oder oder hätte etwas mit Lebenslust zu tun.

Der gute Herr Diederichsen (oder war es Kid P.?) hat vor langer Zeit (in den Achtzigern; in der SPEX/Sounds?) bereits verkündet: „Berlin besteht aus Rentnern, Türken und Versagern.“ Hat sich seitdem etwas verändert? Nun, vielleicht haben Letztere etwas zugenommen.

Der tübinger Bürgermeister Herr P. hat neulich so etwas ähnliches gesagt: Wenn man nach Berlin kommt, verlässt man den funktionierenden Teil Deutschlands. Nun, das ist etwas hart ausgedrückt. Das Nachtleben funktioniert doch wunderbar!

Alles andere leider nicht:

  • ÖPNV: Meine Frau kann nach empirischer Forschung schlimmes berichten: Polizeieinsatz, Zugausfall, Ersatzverkehr, Signalstörung, technischer Defekt, Unwetter. Kaum ein Tag ohne schwere Beeinträchtigung. Und das unter rot-rot-grün.
  • Der Verkehr: Man kann täglich beobachten, wie Verkehrsregeln missachtet werden, und es wird immer mehr. Schlimmer ist es, dass es keinen in Berlin interessiert. Es gibt keine Kontrollen, keine Sanktionen. Ich selbst bin als Autofahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger seit ca. 30 (in Worten dreißig) Jahren nicht mehr kontrolliert worden.
  • Die Menschen: Der Berliner wird als jemanden mit „Herz und Schnauze“ bezeichnet. Das passt ganz gut. Das Herz ist leider selten. Den Sinn für Sprüche mag ich. Ansonsten aber viel Schnauze, Rücksichtslosigkeit und Egozentrik ohne Ende. Vollkommen respektlos und rücksichtslos.
  • Kriminalität: Wird immer mehr, und immer weniger geahndet. Intensivtäter laufen frei rum. Gewalttätige werden erfasst – und laufen gelassen. Das Wort „Intensivtäter“ ist für mich ein Widerspruch an sich.
  • Behörden: Hochzeit, Wohnberechtigungsschein, Autoanmeldung: in Berlin kaum möglich. Ok, kein Problem, wenn man ein halbes Jahr Zeit hat!
  • Vermüllung: nimmt zu, wird nicht verhindert, sondern sporadisch und lustlos beseitigt. Die Stadtreinigung wird verantwortlich gemacht – nicht die asozialen Verursacher. Die Hundehalter haben sich übrigens etwas verbessert. Nicht mehr ganz so viel Scheiße auf dem Gehweg. Aber die Leinen- oder Halternachweispflicht kontrolliert selbstverständlich nie jemand.
  • Schulen: verkommen, werden ideologisch missbraucht, bei schlechten Noten werden die Anforderungen kurzerhand gesenkt.
  • Die kleingeistigen Maßnahmen zur Begrenzung der Mietensteigerung machen alles schlimmer.

Den BER erwähne ich bewusst nicht, das wäre zu einfach.

Herr Martenstein hat ein schöne Geschichte dazu geschrieben und die Antwort der Wirtschaftssenatorin wunderbar deklassiert: „Offenbar gibt es neue Sprachregeln von oben, [hier hätte ich einen Doppelpunkt gesetzt. Anm. d. Autors] statt „Kriminalität“ soll man „Vielfalt“ sagen. „Armut“ heißt neuerdings „Lebenslust“. Dass Pop [unsere Wirtschaftssenatorin, die ich eigentlich mag; der Name allein! Anm. d. Autors] ausgerechnet das „Tempo“ von Berlin lobt, zeigt ein hohes Maß an Realitätsverlust. […] Welches Tempo meint sie? Das des Flughafenbaus? Das der Verwaltung? Das der S-Bahnen? Das des Wohnungsbaus?“

Fazit: „Die empörten Reaktionen auf B. P. [Gekürzt. Anm. d. Autors] zeigen, warum die Berliner Probleme nicht gelöst werden. Man sieht sie gar nicht.“

So ist es!

Neues Ortsschild für Berlin: Damals gab es noch innerhalb von Berlin verpflichtende Grenzen – heute grenzt sich die Hauptstadt freiwillig gegenüber dem Rest des Landes ab. Foto: Ralf Guenther; stümperhafte Bearbeitung: GORG

Es ist mir extrem peinlich, in dieser Stadt zu wohnen. Eine Hoffnung auf Besserung ist nicht in Sicht. Konsequenterweise sollte man in eine andere Stadt oder aufs Land umziehen. Aber da gibt es keinen funktionierenden Cappucino.

Igorrr der Große

Oder: Igorrr, der schreckliche. Achtung: Dies ist keine Musik! Nur wer mal dringend eine ordentliche und nachhaltige Gehirnwäsche braucht, sollte sich dies antun – man ist danach ein anderer Mensch. Ich habe früher aus diesem Grund mal Punk gehört, das ist aber viel zu brav im Vergleich. Und Igorr kann auch anders.

Der Kerl kommt aus Frankreich und heißt Gautier Serre. Er ist kein Musiker, sondern Künstler, der Musik neu erfindet und das gut macht. Man muss aber schon sehr vielseitig sein, um sich das anhören zu wollen: Barock, Breakcore und Death Metal. Leider auch etwas Balkan, was ich nicht ausstehen kann, hier aber manchmal erträglich ist. Das sind die wesentlichen Merkmale, es gibt noch viel mehr. Ja, und sehr pathetisch und auch, teilweise schwer auf Effekthascherei orientiert, und nervig – aber gut! Die Mitstreiter sind Laure Le Prunenec mit dem wunderbaren – unter anderem –  Opern-Gesang und Laurent Lunoir, der den Death-Metal-Aspekt überzeugend vertritt. Gesungen wird in einer Sprache, die ich nicht verstehe, Russisch vielleicht?

Dieses Bild entspricht nicht ganz dem Stil seiner Musik, aber seinem künstlerischem Verständnis, und ich finde es wunderbar ironisierend. (Copyright Svarta Photography)

Hat etwas mit Dekonstruktivismus, Kubismus, Anarchie, Dadaismus, entartete Kunst, abnorm exzentrisch, schräg zu tun, ist aber von dieser Welt und sehr beachtenswürdig.

Kennengelernt habe ich das Werk erstmals im Zusammenhang mit Venetian Snares, ein Typ, der auch gerne klassisches mit Breakcore verbindet. Während dieser das Ganze am Synthie nachbildet nimmt Igorrr dazu originale Klassik – als Sample, oder sie wird eingespielt. Und er hat dabei – trotz aller Härte – einen Sinn für Humor; das liebe ich! Sein Huhn kommt daher auch öfters in den Videos vor, einmal sogar als Hauptdarsteller.

Igorrr – My Chicken’s Symphony: Ein sehr untypisches Beispiel seiner Musik. Sicher eines der kostengünstigsten Musikvideos aller Zeiten und eines der originellsten! Der Nutzer kafrrros (auch mit 3r!) hat vor 3 Jahren auf einem Videoportal dazu folgendes interessantes von sich gegeben: „Although the chicken usually write in a more pastoral romantic style, this particular one has made a composition that deviates from the usual chicken repertoire and dares to explore new, experimental musical paths through strange time signatures and complex sound textures.. Magnificent!“

Neben der Hardcore-Version Igorrr hat er auch eine entspannteres Projekt mit dem Namen Corpo-Mente gegründet. Auch klassisch basiert und wesentlich eingängiger. Vielleicht wird er auch etwas ruhiger auf seine alten Tage. Das hat die Qualität von Radiohead und ist unbedingt hörenswert.

Der Ausschlag für diese Würdigung gab ein eher untypisches Stück mit dem Namen Corpus Tristis. Das basiert auf einem Walzer von Chopin (Grande Valse Brillante, Op. 34, Nr. 2 in a Moll), der wunderschön ist. Wozu braucht man noch Igorrr? Nun: es macht Spaß.

Bei Recherche auf einem bekannten Videoportal stößt man aktuell auf ein offizielles Video zu dem Stück „ieuD“. Harter Stoff. Das habe ich AND empfohlen, der mir bisher immer gerne zu den allerschrägsten und krachigsten Klängen verholfen hat; es hat ihn zu dem Ausspruch verleitet: „Oh Jesus. Was denn das?“

Sehr eindrucksvoll ist das Video zum Auftritt beim Dour Festival 2017. Ansonsten empfehle ich auch die etwas braven aber schönen Videos zum „The Making of Savage Sinusoid“. Zu Corpo-mente sollte man sich unbedingt „Live at Improve Tone Studios, 2015“ ansehen/anhören. Und alles andere auch!

Das ist hohe Kunst! Und wunderbar radikal! Habe noch nicht alles erfasst, aber es hat mir bereits mehrfach feuchte Augen verursacht. Und ich wäre glücklich, wenn ich das, was er in Musik macht, hier mit Worten umsetzen könnte. Und das würde ich mir manchmal gerne   über eine Superanlage mit Riesenboxen auf voller Lautstärken anhören wollen. – gorrrg.

Martenstein

Ist das ein toller Name? Und nicht nur ein Name: Herr Martenstein schreibt und spricht seine Gedanken öffentlich aus und ist dabei recht beliebt. Leider kann er damit die Welt wohl auch nicht mehr retten. Aber es wäre oft hilfreich, danach zu handeln.

Egal, ich lese regelmäßig seine Kolumnen im Tagesspiegel und habe ihn dort sehr zu schätzen gelernt! Dies ist einer der wenigen Mitbürger mit einem gesunden Menschenverstand. Und es ist sein eigener Verstand – nicht das, was andere gut finden, kein Mainstream. Das Gegenteil von Populismus! Oldschool, aber es freut mich, dass es so jemanden noch gibt. Er nennt Dinge beim Namen. Hat eine klare und einfache Sprache. Und sagt dabei genau das richtige. Er ist das Kind in „Des Kaisers neue Kleider“. In neun acht sieben von zehn Fällen spricht mir Herr M. aus der Seele. Ich kenne bisher keinen vergleichbaren Schreiberling.

Der Tagesspiegel führt aktuell seine jährliche Versteigerungsaktion durch und bietet dabei verschiedene Produkte und Dienstleistungen zum Höchstgebot an. Ein Angebot lautet: Eine Stunde private Lesung von Herrn M. in den eigenen vier Wänden. Das hat mich gereizt.

Die Lesung interessiert mich dabei gar nicht. Ich hätte Herrn M. gebeten, darauf zu verzichten, und einfach ein schönes Gespräch bei einer guten Flasche Rotwein zu führen. Ich hätte gerne auch etwas leckeres gekocht, um ihn länger als eine Stunde zu halten. Es interessiert mich, wie ein Mensch so ist, der so viele Geschichten geschrieben und soviel Kluges von sich gegeben hat. Ist der auch in Wirklichkeit so? Nun, ich bin überzeugt, einen netten Abend mit ihm gehabt zu haben.

Als ich das Angebot jedoch das erste Mal aufrief, lag der Preis schon bei 450,00 €. Das ist mir dann doch zu viel. Schade. Vielleicht versuche ich ihn mal unabhängig vom Tagesspiegel anzuschreiben. Es muss ja nicht unbedingt ein persönliches Treffen sein, aber er sollte zumindest mal auf diese Seiten geguckt haben, oder?

Nachtrag: Der Zuschlag bei der  Versteigerung erfolgte schließlich bei einem Gebot von 1.103,00 € von RolfR.

21. November 2018 // Kulturelles // Kommentar schreiben!

Ein sehr unbekanntes Tagebuch

Dies ist wahrscheinlich das unbekannteste Netz-Tagebuch in Deutschland. Es existiert seit 10 Jahren, aber kaum einer guckt drauf. Zumindest nicht gezielt. Ich habe es bisher auch nicht kommuniziert. Klar, gibt es Zugriffe, die über Suchmaschinen kommen – das sind Zufallstreffer, den jeweiligen Nutzer interessiert das hier geschaffene einen Scheiß.

Es gibt weiche Ware mit der man protokollieren kann, wie die Nutzer auf die Seite kommen und was sie sich ansehen. Die beliebtesten Seiten 2018 sind:

Die beliebtesten Suchbegriffe sind „eifon“ und „gugel maps“. Ich schließe daraus, dass die Seite eher von Analphabeten besucht wird. Im Prinzip wäre das auch Teil meiner Zielgruppe. Aber ich glaube nicht daran, dass ich hier einen nennenswerten Einfluss ausüben kann.

Bisher bin ich nicht unglücklich darüber. Ich mache das ja vor allem für mich und freue mich selbst über meine Ergüsse. Trotzdem wäre es auch ganz schön, mal etwas Rückkopplung zu bekommen. Finden Sie das irgendwie interessant oder vollkommen überflüssig?

Im Moment kann ich noch schreiben, was ich will. Ich habe Angst davor, was passiert, wenn das alles bekannt wird. Nutzer finden es es toll oder blöd. Werde ich dann unter Druck gesetzt, kompatibler zu schreiben? Ist das das Ende von Lustwort?

Vielleicht erzähle ich mal meiner Frau davon (erledigt), oder dem Jungen (erledigt). Meine Mutter würde sich auch freuen (erledigt).

Vielleicht werde ich auch irgendwann mal ohne mein Zutun entdeckt?

20. November 2018 // Kulturelles // Kommentar schreiben!