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Wortrausch oder Askese?

Neben den sehr alltäglichen und oberflächlichen Dingen des Lebens beschäftige ich mich auch gerne mit grundsätzlichen politischen, philosophischen und kulturellen Fragen der Menschheit. Mein Ziel ist es, zu einem bestimmten Thema alles aufzunehmen, zu filtern, zu beleuchten, zu hinterfragen, zu differenzieren, das wesentliche zusammenzufassen und schließlich zu einer allgemeingültigen und nachhaltigen Aussage zu kommen. Dies ermöglicht es mir, meinen Lesern und der sonstigen Menschheit, sich nicht noch einmal mit dem Thema befassen zu müssen: jeder kann – auch in Jahrzehnten noch – auf diese grundsätzlichen Erkenntnisse zurückzugreifen. [laber] (Inflektiv; labern: abwertend; sich wortreich über oft belanglose Dinge auslassen, viele überflüssige Worte machen)

Meine Fragestellung lautet heute: Soll man als Schreiberling eigentlich seine Erkenntnisse oder Geschichten auswalzen, illustrieren, begründen, erläutern, hinterfragen? Oder soll man sich kurz und knapp fassen?

Für mich ist das Wesen der Kunst ja mit wenigen Mitteln viel auszudrücken. Alles andere ist doch Kitsch! Ich, wenig Wort, viel ausdrücken, das Kunst. Das ist doch schön minimalistisch, hinreichend und verständlich, oder? Mein Ziel ist es, in wenigen Jahren, meine Gedanken in einem einzigen Wort zusammenzufassen und zu verkünden. Das Hohelied der Literatur! Alle anderen, die in Beschreibungen schwelgen, kleinste Details auf drei Seiten ausbreiten, wollen doch nur mit ihrem Wortschatz angeben – oder Seiten füllen, um mehr Tantiemen zu bekommen.

Ein Problem ist, dass die Schönheit der Sprache im Minimalismus echt total flöten geht. Und es wäre tatsächlich schade, wenn viele Worte nicht mehr genannt würden, gebraucht würden, erlesen oder gar erhört würden, ein tristes Dasein fristeten. Meine ursprüngliche Idee zu diesem Tagebuch war ja gerade, die schönen Wörter zu sammeln, zu bewahren und einzusetzen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten!

Aber: Wer zu detailliert auf Dinge eingeht, nimmt dem Leser die Selbständigkeit. Es darf nicht alles vorgegeben, beschrieben, geklärt werden. Gute Texte regen an, sie arbeiten weiter, entwickeln sich. Der Text ist nur ein Werkzeug, eine Grundlage, die man dem Leser anbietet.

Und hier meine zentrale Aussage: Das Werk des Schreibers wird erst im Hirn des Lesers vollendet! Ist das nicht eine tolle Erkenntnis? Da bin ich stolz drauf! Nur dafür habe ich diesen Artikel geschrieben. Und das wird sicher mal in meiner Biographie hervorgehoben werden.

Ach so, und zum Thema viel oder wenig Worte: Nun, es kommt darauf an….

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