Der Niedergang des Der Tagesspiegel
Hinweis: Der folgende Text kann Spuren von Polemik enthalten (die aber gerechtfertigt ist!). Um möglichen rechtlichen Verfolgungen zu entgehen, kennzeichne ich diesen Artikel hiermit vorsorglich als Satire.
Ja, er hatte mal einen Artikel. Und ich meine nicht Zeitungsartikel. Der wurde eingespart. Vielleicht weil er zu männlich klingt? Wir wollen ja alle ansprechen, keinen ausgrenzen, oder so? Der Verlag hat ihn noch; ist wohl zu aufwendig den GmbH-Namen zu ändern. Das respektable aber vollkommen oldschoole Motto auch entfernt: „Rerum Cognoscere Causas“. Es gab mal den Anspruch, den Dingen auf den Grund zu gehen! Und das in einer Sprache, die dem Bildungsbürgertum zugeordnet wird. Verständlich, dass dies entfernt wurde. Prinzipien sind ja doof, sie überdauern den Zeitgeist und engen ein! Dann der Relaunch der Website. Die war vorher mal ausgezeichnet. Jetzt gesichtslos, unübersichtlich und repetitiv. Auf die beziehe ich mich, nachdem ich als einer der letzten Papierleser, doch darauf umgeschwenkt bin.
Ich habe lange Jahre mitgelesen und miterfahren, wie das Regionalblatt früher noch versuchte, wie die Süddeutsche zu sein (was ich gut fand, die allerbeste Zeitung damals (Vergangenheitsform!)) dann aber doch eher, wie die ZEIT (die ich auch mal gut fand, jetzt aber auch zu moralisch), schließlich aber wie der Namensvetter Spiegel, dem erfolgreichsten Blatt mit dem kürzeren Namen! Man konnte als aufmerksamer Leser beobachten, wie Artikel, die im Spiegel erschienen und Quote versprachen, kurze Zeit später in Abwandlung im TSP erschienen. So spart man sich langwierige Redaktionssitzungen. Es gibt auch noch eine geheimnisvolle technische Verbindung zwischen den beiden: wenn ich beim TSP die Cookies im Browser lösche, muss ich auch beim Spiegel den Cookies erneut zustimmen.
Mit dem Relaunch der Website wurde auch klargemacht: wir verabschieden uns vom Journalismus; wir haben eine Mission; wir möchten die Gesellschaft mitgestalten, haben uns der Belehrung der Bevölkerung verschrieben; wir vertreten das Gute, wir setzen auf die ehemalige Umweltpartei, wir finden die genusgerechte Sprache toll, wir nehmen alle populistischen Strömungen auf und fördern sie. Wir übernehmen einfach alles, was in letzter Zeit an hysterischen gesellschaftlichen Entwicklungen aus Amiland zu uns herübergeschwappt kommt.
Es gibt jetzt auch eine eigene Rubrik für blümerante Menschen. Der Umfang ist genauso groß, wie die Bereiche „Politik“, Oder „Gesellschaft“, oder „Wirtschaft“. Manche Artikel erscheinen zusätzlich nochmal in der Rubrik „Gesellschaft“. Es ist die Überbewertung und die peinliche Anbiederung an eine von vielen Minderheiten, die nervt. Die zweifache oder gar dreifache Anzeige derselben Artikel auf einer Seite ist übrigens sehr beliebt; das spart Platz und Arbeit! Eine Zumutung für aufmerksame Leser.
Eines muss ich aber loben: die tolle Kommentarfunktion! Man kann als registrierter Leser zu jedem Artikel seine Meinung sagen und am Diskurs teilnehmen. Natürlich lebt ein Online-Medium von den Rückmeldungen der Nutzer und profitiert erheblich davon (der oftmals wichtige Beitrag der Leser zum Diskurs wird übrigens bisher nirgendwo ausreichend gewürdigt, zumal es kostenloser Content für die Medien ist!). Für mich gab es hier oft Hintergrundinformationen, die nicht im Artikel standen, oder verdreht waren, oder verschlampt wurden.
Aber ich ziehe das Lob gleich wieder zurück. Es wird ja nicht alles veröffentlicht, was der Nutzer so schreibt. Grundsätzlich ist es richtig, unsachliche Beiträge auszublenden. Das geht aber mittlerweile so weit, dass auch Kritik, die sich gegen die Haltung des Mediums richtet, nicht akzeptiert wird. Das ist klassische Zensur. Nach anfänglicher und erfolgreicher Aktivität mit vielen Zustimmungen werden von mir mittlerweile gar keine Kommentare mehr durchgelassen. Und ich bin kein Extremist, nur etwas zeitkritisch und versuche, differenzierte Sichtweisen einzubringen. Ich hatte mal angefangen, hier meine zensierten Kommentare zu dokumentieren. Das ufert aber mittlerweile aus, so dass ich meinen Hirnschmalz mittlerweile lieber anderen, liberaleren Medien zur Verfügung stelle. Dazu später mehr …
Neben der schleichenden Entwicklung gab es auch Schlüsselmomente, die mir dieses Medium akut und nachhaltig verleideten (verlitten?):
1. Zensur
Lange Zeit waren es die herausragenden Glossen von Harald Martenstein, die mich bei der Stange hielten. Über ihn habe ich bereits mehrfach geschrieben, weil ich seine klaren, klugen und vernünftigen Erkenntnisse herausragend gut fand. Ein Satz, der durchaus diskutabel, aber nicht dramatisch war, wurde ihm dann nach seiner jahrzehntelangen Tätigkeit für das Medium ohne Rücksprache zensiert, weil es nicht mehr in die neue Ausrichtung passte. Er verließ zu Recht diese Zeitung, steht weiterhin zu seinen Aussagen (was ich bewundere!) und darf immerhin bei anderen, liberaleren Medien noch fleißig schreiben, leider immer hinter einer Schranke. Der Typ sollte OpenSource werden, sich über Spenden finanzieren; die Welt würde ein kleines bisschen besser!
2. Politische Einflußnahme
Die Stadt Berlin hatte mal wieder sehr eindrucksvoll ihre vollkommene Unfähigkeit unter Beweis gestellt und bei der Organisation einer einfachen Wahl dramatisch versagt. Das hatte für die Bewohner den Vorteil, dass eine Wahlwiederholung sattfinden musste und nach einer schlimmen Zeit des exzessiven Populismus mal wieder etwas Vernunft in die Politik zurückgekehrt ist. Dem TSP hat das als Unterstützer der Vorgänger natürlich überhaupt nicht gefallen. Die neue Regierung war noch nicht einen Tag im Amt, schon erschien ein Artikel des Chefredakteurs (des Chefredakteurs!) mit dem Tenor: Die neue Regierung hat versagt! Das lasse ich mal ohne Kommentar stehen.
3. Kampagnenjournalismus
Der Tagesspiegel ist mittlerweile besessen von gesellschaftlichen Aufregerthemen und legt dabei einen Schwerpunkt auf die Verdachtsberichterstattung. Ein schlimmes Beispiel, war die wochenlange Kampagne gegen den Sänger einer Band, die auf indirekten, möglichen, unbewiesenen Vorwürfen, einer einzigen Frau basierte, die niemals auch nur ansatzweise recherchiert, belegt oder nicht einmal hinterfragt wurden. Die Frau selbst hat gar keine rechtlichen Schritte eingeleitet, es waren – wie so oft – Stellvertreter. Die Geschichte wäre ja auch zu schön gewesen: Männnliches weißes altes Monster vergeht sich an jungen unschuldigen Frauen. Die Vorwürfe haben sich in Luft aufgelöst. Der TSP darf trotzdem weitermachen. Es gibt ja auch wieder neue Aufregerthemen: Der Kuss, Das Flugblatt.
Viele der angesprochenen Punkte sind das krasse Gegenteil von Journalismus, der ja durchaus mal angesehen war, oder war es schon immer so? Natürlich, Boulevard gibt es schon lange, aber hier geht es um ein ehemals angesehenes „Hauptstadt-„Medium. Wie nennt man den Beruf heute? Influencer? Bevormunder? Rattenfänger? Wichtigtuer? Die vierte Gewalt/Macht sollte verantwortungsvoller damit umgehen. Zunächst kann ich nur empfehlen, auch mal auf Medien umzusteigen (man sollte sich IMMER aus verschiedenen Medien bedienen!), die nicht dem Zeitgeist hinterherhecheln. Ich bin noch auf der Suche und werde hier welche nennen.
Aber ich gucke trotzdem noch täglich vorbei. Und alles hier ist besser, als in den Asi-Medien.
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