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Meine achtziger Klubs // Seite 1

Vorbemerkung: Diese Infos gab es hier bisher als einzelnen Artikel mit dem wunderbaren Namen „Meine Achtzigerjahre-Hedonistenkarriere“. Da dies zu umfangreich wurde, habe ich es nun aufgetrennt und erweitert.

Habe nicht mehr alle Informationen parat und muss etwas recherchieren, wo meine liebsten Diskos (so hießen die Klubs früher (früher war mehr Lametta)) und Konzertsäle und Schankwirtschaften in den Achtzigern waren und was sie zu bieten hatten. Es gibt relativ wenig dazu im Netz, da es dies damals nicht gab, deswegen im wesentlichen nur meine eigenen Erfahrungen, ergänzt durch ein paar offiziell gefundene Infos/Fotos.

Achtung: dies ist keine Dokumentation, alles subjektiv! Und ja, es geht nur um Berliner Klubs. Gab es damals noch andere? Und hier meine passende Musik dazu: // achtziger untergund hits.

Und ein ebenfalls unbekannter Kollege hat bereits meine Idee umgesetzt, die Locations von früher heute zu fotografieren, so dass ich mir das sparen kann. Siehe lostviews

Inhalt
Waldbühne – Glockenturmstraße
Turbine Rosenheim – Eisenacher Straße
Loft – Nollendorfplatz
Metropol – Nollendorfplatz
Dschungel – Nürnberger Straße
Tempodrom – Potsdamer Platz
SO36 – Oranienstraße
XXX – Wilmersdorfer Straße, nahe Adenauerplatz
Café Swing – Nollendorfplatz
Sector – Hasenheide
Sonstige Diskos
Schankwirtschaften
Verschiedene Lokalitäten

Waldbühne – Glockenturmstraße

Ja, die gibt es auch noch! Kein Klub, nicht so trendy, aber ein toller Veranstaltungsort (besser: eine tolle Location)! Und sehr vielseitig: Klassik, Rolling Stones, Deutschpop und alles andere. Ich habe ein Konzert von Spliff besucht, die legendäre Nina Hagen Band, aber ohne die Hauptprotagonistin, und trotzdem sehr gut. Dann ein Konzert von Prince; ein Held; aber ich wollte/konnte die hohen Eintrittspreise nicht bezahlen. Und da waren noch mehr Leute, die vor der Mauer standen und auf eine Gelegenheit warteten. Irgendwann ergriff einer die Initiative und stürmte über die relativ kleine Mauer und alle sind hinterher. Dahinter lauerten natürlich mehrere Aufpasser, die die ersten Erstürmer gleich ergriffen und festhielten. Und dann beschäftigt waren. Es ist manchmal gut, nicht in der ersten Reihe zu sein. Ich kam durch und konnte kostenlos ein wunderbares Konzert eines großen Helden genießen.

Turbine Rosenheim – Eisenacher Straße

Sehr gute Musik. Ich habe dort meine heutige Frau näher kennengelernt. Auch der damals noch unbekannte Plattenaufleger „Dr. (ich nehme an, eine illegale Titelaneignung) Motte“ (später Gründer der Liebesparade) hatte sie angebaggert, ohne Erfolg. Finanziell wäre das für sie sicher die bessere Partie gewesen. Egal. Glück gehabt! Eines Abends kam Jim Jarmush durch die Tür, was mich begeisterte. Der war nach „Stranger than Paradise“ und „Down by Law“ ein Held! Der schlimme Wichtigtuer von Türsteher wohnte bei uns im Nachbarhaus und man konnte immer Abends durch sein Fenster beobachten, wie er vor dem Spiegel stand und stundenlang in genussvoller Eitelkeit sein wallendes Haar bearbeitete.

Loft – Nollendorfplatz

Das war eigentlich DIE Konzertlocation. Im Nebeneingang zum Metropol. Ein legendäres Konzert von Fad Gadget (in dem er anfing, mit einem gekonnten Feldaufschwung die Hängedecke zu zerstören), ein legendäres Konzert der Einstürzenden Neubauten, die mit einem Presslufthammer die Wände bearbeiteten und ein erstes Konzert der Hosen, bei dem dieses passierte. Mich würde noch interessieren, wer für die ganzen Schäden aufgekommen ist. Am Eingang stand ein freundlicher, oft uniformierter Brite, der viel später zu einem glorreichen Film über die Achtziger beisteuerte.

Was macht man nur mit dem Mikro, wenn keine Hand mehr frei ist? Frank Tovey zeigt es uns. Und produziert dabei noch Geräusche, die gut zur Musik passen! Ich war dabei, stand etwas weiter links, und ich glaube, das war ein Coitus Interruptus.  (Foto Boo Anderson / lastfm)

Metropol – Nollendorfplatz

Die Mutter des Loft? Aber auch langweiliger. Ich erinnere mich aber an ein – natürlich – legendäres Konzert von The Cramps. Ich hatte meine Kamera mit und stand ziemlich weit vorne und habe tolle Fotos geschossen. Damals analog – auf Filmstreifen, die von entsprechenden Dienstleistern entwickelt und abgezogen werden mussten. Davon war eine Bekannte so begeistert, dass ich sie ihr ausgeliehen habe. Leider habe ich sie nie wieder bekommen. Ein paar Abzüge müssten aber noch irgendwo sein. Wenn ich Rentner bin, suche ich sie mal, weil die waren wirklich gut. Ansonsten uninteressante Disko.

Dschungel – Nürnberger Straße

Den kennen alle. Ursprünglich mal am Winterfeldplatz, im immer noch heutigen Slumberland. Und ja, war schon cool. Aber für mich damals viel zu etabliert, bäh, für die Schickeria! Aber auch für andere – eigentlich war es eine wunderbare Mischung. Aus heutiger Sicht sympathisch unkommerziell und mit wirklich guter, neuer Musik. Es wurde natürlich alles mögliche genommen und geraucht; einmal hatte ich einen wirklich bestialischen Gestank in der Nase, würde mich interessieren, was das war. Promis waren auch da, aber die erkenne ich meistens nicht. Ich erinnere mich auch an einen Besuch mit einem Freund F.J., der vorschlug, eine Frau anzusprechen, ob sie nicht einen flotten Dreier mitmachen wollte (was aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt wurde). Aber ich freue mich heute noch, dass wir neben den ganzen Promis vom Türsteher akzeptiert wurden und Spaß haben konnten: Mich hat eigentlch mehr die Stimmung und das Tanzen interessiert, als Promis zu sehen.

Tempodrom – Potsdamer Platz

Auch ein legendärer Veranstaltungsort, an einem besonders historischen Platz – heute nicht mehr vorstellbar! Damals ein Zirkuszelt, mit einem Zaun drumherum. Ich wollte auf ein Konzert von DAF und ging solange am Zaun hin und her, bis der Aufpasser dahinter nicht mehr zu sehen war. Schwupp, drübergestiegen und durch einen nicht offiziellen Seiteneingang im Zelt verschwunden. Damals war ich noch ein armer Student und es gehörte auch zum sportlichen Ehrgeiz, sich irgendwie an der Kasse vorbeizuschummeln, obwohl die Eintrittspreise lächerlich gering waren.

Tja Leute: so sah der Potsdamer Platz mit dem Tempodrom in den Achtzigern aus. Im Vordergrund der genannte und nicht unüberwindbare Zaun.
(Foto: Sammlung Jürgen Henschel , Lizenz: RR-F, Weitere Informationen zum rechtlichen Status unter: www.museum-digital.de www.deutsche-digitale-bibliothek.de, www.fhxb-museum.de)

Drinnen in der Manege waren mehrere halbstarke Männer mit nackten und schweißnassen Oberkörpern zu sehen, die in weißem Licht auf irgendwelche Geräte einhauten und einen irren Sound verursachten. Das war noch am Anfang meiner Berlin-Karriere und ich war sehr beeindruckt. In der Pause lief Gabi Delgado Lopez zufällig durch die Sitzreihen zwei Meter an mir vorbei, ein Held im Publikum! In späteren Interviews hat er sich als sehr sympathischer und reflektierter Zeitgenosse präsentiert. In der Zeit wohnte sein Bruder Eduardo in Neukölln (Sonnenallee) direkt neben mir und wir sind mal zusammen mit anderen in einem VW-Bus auf eine Party in der Pfuehlstraße gefahren. Er hat dabei ständig The Gun Club gehört, was mich etwas nervte. Ansonsten habe ich dort noch den wahren Heino und später die Ramones gesehen. Das war nicht mehr so beeindruckend. Aber La Fura Dels Baus schon.

Dank an und Bewunderung für Irene Moessinger, die diesen wunderbaren alternativen Veranstaltungsort mit einem Erbe, ohne Businessplan, aber mit vielen Freunden einfach geschaffen und erfolgreich betrieben hat. Heute würde ich ihr gerne das Eintrittsgeld zurückgeben. Später musste der Laden in den Tiergarten ziehen und dann wegen des Neubaus des Bundeskanzleramtes dort wieder verschwinden. Kurze Zeit später steht neben dem Kanzleramt ein anderes Veranstaltungszelt. Das habe ich nie verstanden und finde es nach wie vor ungerecht! Das Tempodrom wurde dann mit viel Geld am Anhalter Bahnhof komplett neu gebaut und besteht seitdem ohne Charme aber mit demselben Namen.

24. Juni 2019 // Meine achtziger Klubs // 1 Kommentar

SO36 – Oranienstraße

Darf natürlich nicht fehlen. Ein furchtbarer, stickiger, enger, verrauchter, voller, dreckiger Punk-Laden – legendär. Die Geschichte dazu sollte man sich mal durchlesen/streamen/zappen! Auch unbedingt die geniale und einzigartige Dokumentation ansehen: „So war das S.O. 36“. Da möchte ich nochmal eine Kritik zu schreiben.

Ich wohnte damals in der Nähe und war daher gerne öfter da. Habe ein fast legendäres Konzert der Dead Kennedys verfolgt. Zum starkfühlen hatte ich mir eine Kunstleder-Punkjacke von meinem Freund F.J. ausgeliehen, der klamottenmäßig immer für alle Fälle gewappnet war. In die passten aufgrund des engen Schnitts gerade mal zwei Dosen Karlsquell; zwei weitere musste ich in der Hand mitnehmen. Damals ging sowas noch! Und wenn das Konzert schlecht war – oder besonders gut war – pfefferten manche die leeren bzw. vollen Dosen auf die Künstler auf die Bühne. Das war nicht so schlimm, wie das auch übliche Anspucken. Die Haut habe ich auch gesehen. Und Ratten-Jenny war natürlich immer da.

Für Punks wohl recht einladend: Der Eingang zum SO36 in den späten Achtzigern. Der Mann geht an dieser Legende etwas achtlos vorbei … Foto: Roehrensee 1987 (vom Autor bearbeitet) Quelle: commons.wikimedia.org

Den Laden gibt es heute noch. Viele Jahre später habe ich nochmal mit AND (A.M.) ein Konzert hier gesehen. Bei Ankunft bekam ich einen Schreck: die Leute stehen alle brav in einer Schlange, um Eintrittskarten zu kaufen. Drinnen war es wie immer. Schlechter Sound, eng, stickig. Mit etwas Drogen ertragbar. Und Interpol ist schon ziemlich achtziger und ziemlich gut. Aber nochmal muss ich nicht hin.

XXX – Wilmersdorfer Straße, nahe Adenauerplatz

Wie hieß noch dieser Laden – Zugang nur über eine Außentreppe? Runde Tanzfläche, wie im Zirkus, nur mit einer einzelnen nackten Glühbirne beleuchtet. Toller New Wave. Ich weiß, dass ich in den frühen Achtzigern öfters da war und es mir sehr gut gefallen hat.  Kommt wohl auch kurz im Film B-Movie vor (?) Wahrscheinlich Wilmersdorfer Straße 82.

So sieht es heute in Berlin an zentraler Stelle, nähe Kudamm aus. In den Achtzigern war hier mal eine gepflegte Diskothek in den Räumen mit dem großen Graffito auf den Scheiben. Freue mich über weitere Hinweise dazu!

Nachtrag: So langsam denke ich, das war das frühe Linientreu, das erst später in die Budapester umgezogen ist und dann uninteressant wurde?

Café Swing – Nollendorfplatz

Keine Disco aber tolle Konzerte. Direkt neben Loft und Metropol. Immer zu voll und zu eng, aber schwer Avantgarde. Beginn 1.00 Uhr morgens und meist umsonst. Nach Auswertung meines Anrufbeantworters aus dieser Zeit ergibt sich, dass wohl G.M., ein Freund meiner Freundin, mich häufiger mit großer Begeisterung in dieses Etablissement gelotst hat. Hängen geblieben sind mir die Notorische Reflexe.

Toller Avantgarde-Schuppen aus den Achtzigern in einem häßlichen Neubau. Und Engelhardt habe ich bestimmt nicht getrunken. Aber Radio 100 habe ich gerne gehört! Foto: Archiv Bernd Feuerhelm

Sector – Hasenheide

Wird als Nachfolger des wohl legendären Cheetah bezeichnet, das seit den späten Sechzigern aktiv war (der hätte mich sehr interessiert, aber es gibt noch keine Zeitmaschine). Ab den achtzigern dann Sector und immer noch sehr spacig. Später dann Pleasuredome. Ein paar Eindrücke erhält man durch dieses Musikvideo, das dort gedreht wurde.  Mitte der Achtziger tanzte man auch mal zu Pop und Rap. Großer Laden mit einem eindrucksvollen Tunnel als Zugang. Habe ich da die coole C.S. kennen- und liebengelernt? Die später dann zu meinem Freund R.M. umgeschwenkt ist? Heute ein teurer und arroganter  Antikmöbelhändler, aber die Räume kann man wiedererkennen.

Sector in den Achtzigern Foto: Mich Ael (FB-Gruppe Discothek „Sector“ Berlin; da wollte ich mich anmelden, hat aber iwie nicht geklappt)